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Seit mindestens einer halben Stunde geht das jetzt schon so. Die Frau hinter dem Schalter fragt ihn Sachen auf Spanisch und er antwortet auf jede dieser Fragen/Aussagen/sonstiges konsequent mit Si! Si! und grinst dabei wie ein Honigkuchenpferd. Neutrale Beobachter könnten ihn für einen astreinen Asiaten halten.
Was die Frau eigentlich von ihm will, kann er sich nur aus dem Kontext erschließen. Und dieser definiert sich in eben jenem Moment folgendermaßen: Er hat pünktlich zur Ladenöffnungszeit die Bankfiliale der Caixa Catalunya in der Calle Marina betreten, mit der eindeutigen Absicht, die Bank in maximal 60 Minuten im Besitz eines Girokontos zu verlassen. Was nun hier gerade abläuft, stellt sich nicht mehr ganz so eindeutig dar. Das ganze Getue der Frau lässt stark auf die Eröffnung eines Girokontos hindeuten, könnte aber im Zweifelsfall auch auf das spanische Pendant eines Bausparers hinauslaufen. Mit endgültiger Sicherheit wird er das erst Ende des Monats erfahren, wenn hoffentlich sein Gehalt erfolgreich auf etwaiges Konto bzw. Bausparer überwiesen wurde. Wenn er so überlegt, hatte er doch eigentlich schon immer irgendwie den Wunsch eines kleinen Häuschens am Strand gehabt.
10.00 Uhr. Nach der erfolgreichen Meisterung einer Konto-/Bausparereröffnung sitzt er nun in einem Meeting und hat andere Sorgen. Links neben ihm sitzen in alphabetischer Reihenfolge Jose, ein Spanier und neuer Chef der Admin Abteilung, Marko aus Slovenien und Trude aus Norwegen, beide Programmierer und ebenfalls (zumindest relativ) neu in der Firma. Rechts runden das internationale Meeting Kalu aus Nigeria und Davide aus Italien ab. Geleitet wird die ganze Veranstaltung von Ana aus Portugal. Ana gibt sich größte Mühe alle Teilnehmer bei Laune zu halten. Es ist das erste Mal, dass sie solch ein Meeting hält und sie entschuldigt sich bei allen Kleinigkeiten, die schiefgehen. Richtig süß. Seine Sympathie hat sie jedenfalls schon sicher. Ihre ganze Art ist angenehm und einfach authentisch und sie gibt sich solche Mühe, dass man ihr kleine Fehler schon gar nicht übelnehmen kann. Aber jetzt wird sich mal wieder konzentriert! Das Meeting behandelt die Produktpalette von ASol und soll für alle Teilnehmer veranschaulichen, an was sie die ganze Zeit über hoffentlich eh schon gearbeitet haben. Wie um dies zu bestätigen, scheinen die anderen beim Anschneiden gewisser Themen oft wissend zu nicken. Seine Gedanken hingegen, lassen sich ungefähr so in Worte fassen: Wow! Ach so! Das hätte man einem ja mal sagen können! Da wird ja das Huhn in der Pfanne verrückt! Auf den Punkt gebracht: Er hört alles zum ersten Mal...
Abends unternimmt er noch einen Spaziergang durch den Park. Überall auf den Grünflächen liegen Leute und genießen noch den abendlichen Sonnenschein. Jeder scheint entspannt und froh über den Feierabend. Auf einem kleinen Hügel genau vor ihm, befindet sich einsam für sich allein ein einzelnes Mädchen. Sie sitzt mit dem Rücken zu ihm und telefoniert mit ihrem Handy. Am Fuße des Hügels dreht ein scheibar ebenso einsamer Radfahrer seine Kreise. Da plötzlich legt dieser sein Rad ab und macht sich auf den Weg den Hügel hinauf, in Richtung des Mädchens, das genau mit dem Rücken zu ihm sitzt. Es sieht fast aus, als ob er sich anschleichen würde. Kennen sich die beiden? Will er das Mädchen überraschen...!? Doch spätestens als der Kerl sich daran macht, die Handtasche des Mädchens zu öffnen, die genau hinter ihr liegt und ihr Portemonnaie herausnimmt, wird ihm schnell klar, das er hier in einem anderen Film ist. Für einen Augenblick verhaart er in seiner Bewegung. Niemand scheint etwas zu unternehmen. Sieht das denn von den anderen Leuten keiner? Seines Sieges sicher, dreht sich der Taschendieb mit dem Portemonnaie in seiner Hand um.
Doch im Gegensatz zu den anderen, entscheidet er sich heute für die gute Tat der Woche. HEY! Dieser Schrei genügt. Das Mädchen dreht sich ruckartig um und, in frischer Tat ertappt, weiss sich der Kerl auch nicht mehr anders zu helfen, als den Geldbeutel fallen zu lassen und zu seinem Rad zu laufen. Plötzlich sind noch zwei andere Radfahrer um ihn herum und auch der kleine Gauner fährt auf ihn zu. Puta madre! Cabron! Der eine spuckt in seine Richtung. Er braucht kein Spanisch zu verstehen, um zu wissen, was das bedeutet. Er überlegt kurz. Doch dann belässt er es bei einem charmanten FUCK YOU! Das ist alles, was er dem Gesocks zu sagen hat. Hat sich in England schon oft bewährt und scheint auch hier mehr als angebracht. Einhergehend mit weiteren Flüchen, zieht die Biker-Gang daraufhin von dannen. Das Mädchen blickt mit großen Augen in seine Richtung und lächelt. Er grinst. Jep! Er winkt ihr zu und zufrieden mit sich macht sich dann langsam auf den Weg nach Hause.
1 Kommentar:
Du Held :-)
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