Sonntag, 15. Juni 2008

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2:0! 'schland gewinnt verdient gegen Polen. Das war ja wohl wirklich kein Gegner. Er sitzt im Chez Müller. Wie der Name erahnen lässt, ein deutsches Lokal. Wenn man großzügig schätzt, hat das Lokal 25m². edoch im Moment schwer zu glauben, da mindestens doppelt so viele Leute wie Quadratmeter im Lokal sind und sich auch noch alle in den Armen liegen und sich zum Sieg beglückwünschen. Sogar eine Österreicherin hat sich ins Lokal verirrt. Garniert wird dieser Augenblick mit Franziskaner Weissbier für unglaubliche 1,50 Öri (!). Wo kann man das in Deutschland bekommen...!? Das Weissbier für 1,50, nicht die 0,5m² Stehfläche pro Fan!
Die einzigen Sitzplätze im Lokal befinden sich vorne links neben der Eingangstür, sind aber seit dem sensationellen (!) Österreich-Kroatien Spiel von den einzigen anwesenden polnischen Fans belegt. Die arbeiten nebenan, wie Ariane, die Besitzerin des Chez Müller, ihm verraten hat und kommen wohl regelmäßig nach der Arbeit auf ein Bierchen vorbei. Und so sind sie auch heute da. Einer circa 60 Jahre alt, klapperdürr und graues Haar. Einer so durchschnittlich, dass jede Beschreibung einfach unmöglich ist und einer ein richtiger Bär. 1,90m groß, ungefähr genauso breit und bis auf seinen kahlrasierten Schädel so ziemlich an allen Körperteile tätowiert. Im Laufe des Abends gesellt sich noch ein 1,70m großer zäher Bursche hinzu. Trotz immer höher werdendem Rückstand ihrer Mannschaft, sind sie noch guter Laune und führen das Lokal locker im Bierkonsum an. Nebenbei bemerkt, auch im Zigarettenkonsum, dem Aussprechen von polnischen Wörtern und Klo-Besuchen während des Spiels. Diese dürften allerdings fast einen Guiness-Buch-Eintrag wert sein - 'die Häufigsten Klo-Besuche während einer Live-Übertragung eines Fussball-Spiels während einer Europameisterschaft'. So oft hat er wirklich noch niemanden während eines Fussball-Spiels auf die Toilette rennen sehen. Naja der alte könnte auch unter Blasenschwäche leiden, oder...? Aber er führt den Gedanken nicht zu Ende...denn da ertönt der Abpfiff.
Die deutschen jubeln, doch die Stimmung im polnischen Lager scheint plötzlich ein bisschen gekippt zu sein. Da sich aber trotz des Sieges, jeder der Deutschen dumme Sprüche verkniffen hat (was an der Anwesenheit des Bärs liegen mag, man aber nicht beweisen kann) und alle ruhig geblieben sind, wird den Polen das ganze zu langweilig. Sie schreien sich immer mehr gegenseitig an. Vor allem der zähe, 1,70m große Zwerg und der Bär. Oh oh...nicht der Bär! Muss denn unbedingt jemand den Bären anschreien...!? Nimm doch den Alten...wieso nicht den...!? Doch auch diesen Gedanken soll er an diesem Tag nicht zu Ende bringen, denn in diesem Moment entschließt sich der Bär, nicht mehr länger zu reden, sondern Taten sprechen zu lassen. Mit Taten sind in diesem Fall seine (auch bärengroßen, natürlich!) zu Fäusten geballten Hände gemeint. Er schenkt erst dem zähen Burschen gegenüber ein paar ein, wirft dann den Tisch hinter sich, inklusive aller Gläser, um und überlegt sich dann scheinbar kurzfristig, sich nochmal dem einschenken zu widmen. Ziel: wieder der kleine zähe Typ. Was musste er auch den Bären anschreien? Wer macht denn auch sowas...
Nach drei weiteren Salven und immer noch fluchend, zerren ihn schließlich fünf Leute mit vereinten Kräften nach draussen und die Polen verlassen, ohne zu zahlen fluchtartig das Lokal. So schlagen sich am Ende die Polen also untereinander, aber vielleicht war das auch nur inszeniert, um die Zeche zu prellen!? Wenn ja, dann sollten sich alle bei dem kleinen zähen Burschen bedanken. Der hatte den unangenehmsten Part in der Verschwörung: Lass dich vom Bären verdreschen...echt hässliche Angelegenheit!

Vier Tage später sitzt er im Büro. Mittlerweile ist noch ein Spieltag ins Land gezogen und Deutschland hat gloreich 1:2 verloren, gegen Kroatien. Nicht unbedingt europameisterlich! Nach einem Tag voll dummer Sprüche, haben sich jetzt auch wieder alle im Büro beruhigt. Nur gut, dass die Performance von Italien alles in den Schatten stellt, was bisher an schlechten Ergebnissen geboten wurde. Und gut, dass heute Freitag ist: Ab16:00 Uhr gibts jeden Freitag Bierchen für alle Angestellten. Corona, frei Haus, gekühlt und vorgesehen, um während der Arbeit am Schreibtisch getrunken zu werden. Oooooh ja! Weswegen dieser Tag der Woche auch als 'Beer-Friday' bekannt ist. Zusätzlich gibt's jeden morgen frisches Obst für alle Angestellten und an den sonstigen Nachmittagen der Woche Kekse anstatt von Bier. Service-Wüste Spanien? Vonwegen! Da weiss man noch, was Mitarbeiter sich wünschen...